Pandemieplan: ein essentieller Bestandteil unternehmerischen Krisenmanagements

Foto: 2020 coronavirus task force.jpg via Wikipedia.com in CC 3.0

1. Situation

Noch befinden wir uns mitten in der Covid-19-Pandemie – niemand weiß genau an welcher Stelle, in welcher Phase aber eines ist klar: am Ende dieser Krise wird man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können: Man muss und man wird aus ihr lernen. Gerade die aktuellen Vorgänge im Bereich der Pandemie zeigen wie schnell Gefahren sich ausbreiten können, wie plötzlich über Quarantäne und Grenzschließungen gesprochen wird und wie schnell es zu Lieferengpässen kommen kann. Damit offenbaren sich zum einen die Risiken der Globalisierung. Zum anderen wird deutlich, wie überlebenswichtig ein umfassendes ganzheitliches Krisenmanagementsystem für Unternehmen ist. Die Risiken einer Pandemie wurden bislang in Unternehmen unterschätzt, sie spielten bei der Auswahl von Szenarien, auf die sich Unternehmen im Vorfeld vorbereitet haben, allenfalls eine untergeordnete Rolle. Daher wurden nicht wenige Betrieb durch Covid-19 kalt erwischt.

Krisen ereignen sich ohne Vorwarnung – es geht also darum, allzeit vorbereitet zu sein. Es sind nicht nur Gefahren durch Ansteckungsgefahr und Krankheit, auch andere gravierende Ereignisse wie Brände, Explosionen, Produktprobleme, Cyberangriffe und kriminelle Attacken, können die Existenz eines Unternehmens rasch gefährden. Plötzlich sind Verbraucher verunsichert, Kernpersonal steht nicht zur Verfügung, Märkte brechen weg, Mitarbeiter bangen um ihre Arbeitsplätze, die Politik schaltet sich ein, ihr Unternehmen ist in Gefahr.

Für Unternehmen aller Branchen hat sich immer wieder gezeigt, dass sie gut daran tun, den Schutz von Mitarbeitern, Verbrauchern, Produkten und Umwelt ernst zu nehmen und entsprechende Vorsorge zu betreiben. Prävention spielt eine besondere Rolle bei der Bewältigung von Ereignissen, die Notfall- oder Krisencharakter aufweisen, ganz besonders im Falle einer Pandemie. Eine Vorsorge solche kann nur durch ein umfassendes Notfall- und Krisenmanagement sichergestellt werden. Diese Vorsorgemaßnahmen bieten auch Chance, mit Hilfe einer Systematisierung bestehen-der Vorgaben und Regelungen zur Beherrschung von Notfällen und Krisen Schaden von Menschen und Umwelt und damit auch vom eigenen Unternehmen abzuwenden. Für ein Unternehmen bringt dies letztendlich nicht nur finanziellen, sondern auch erheblichen Imagegewinn. Ziel aller Anstrengungen ist dabei die Organisationssicherheit für Unternehmen, die sowohl die Rechtssicherheit als auch die Handlungssicherheit umfasst; im Zuge der Globalisierung häufig auch über Landesgrenzen hinaus! Um dieses hochgesteckte Ziel und somit die optimale Bewältigung seltener, meist nicht „planbarer“ Ereignisse zu erreichen, bedarf es der Beantwortung gezielter Fragen aus den zentralen Bereichen:

Organisation

Ist eine Krisen- und Notfallorganisation implementiert die geeignet ist, auch außerhalb der normalen Arbeitszeit die Bewältigung von krisenhaften Ereignissen sicherzustellen und wurden entsprechenden Handlungsträger ausgewählt und benannt?

Technik

Ist eine Kommunikationstechnik installiert, die auch in Ausnahmesituationen die notwendigen Redundanzen aufweist um alle notwendigen Verantwortlichen informieren und herbeirufen zu können?

Handlungskompetenz

Wurden alle Verantwortlichen im Unternehmen von der operativen bis hin zur strategischen Ebene sorgfältig ausgewählt, geschult und trainiert, um ihre Aufgaben erfolgreich erfüllen zu können?

Öffentlichkeitsarbeit

Nutzt das Unternehmen bereits alle Medienmöglichkeiten einschließlich sozialer Medien und sind für einen möglichen Ernstfall die Verantwortlichen im Unternehmen ausgewählt und trainiert, die je nach Entwicklung der Lage das Unternehmen in der Öffentlichkeit darstellen und somit personifizieren? Diese Fragestellungen zielen auf die Sicherstellung der für eine erfolgreiche Krisenbewältigung notwendigen Voraussetzungen ab. Die Berücksichtigung von fünf Voraussetzungen bei der Implementierung und Weiterentwicklung des unternehmenseigenen Krisen- und Notfallmanagement hilft letztendlich, den Unternehmenserfolg auch im Krisenfall dauerhaft zu sichern:

2. Voraussetzungen für ein erfolgreiches Krisen- und Notfallmanagement

1. Voraussetzung: Organisation

Eine erfolgreiche Krisenbewältigung bedarf einer effizienten und transparenten Krisen- und Notfallorganisation, abgestimmt für und zugeschnitten auf derzeit vorstellbare wie auch für künftige Krisenszenarien. Dazu gehören neben den bekannten physischen Gefahren auch zunehmend gesundheitliche Gefährdungen wie wir sie gerade mit Covid-19 erleben und wie sie auch künftig jederzeit vorstellbar sind. Die Krisenvorbereitung muss den Beteiligten auf allen Hierarchieebenen ihre Aufgaben und Rollen zuweisen, Kompetenzen klären und Verantwortung zuweisen. Die Beteiligten müssen diese Vorgaben kennen, akzeptieren und befolgen.

Viele Unternehmen haben bereits für einige realistische Szenarien im Notfallbereich Vorgaben zur Organisation erstellt. Solche Regelungen sollten jedoch immer wieder durch Experten einer kritischen Revision im Hinblick auf mögliche Krisenszenarien unterzogen werden. Diese kritische Prüfung sollte auch im Hinblick auf neue Gefahren (etwa durch Terrorismus) und katastrophale Ereignisse erfolgen. Bei dieser Betrachtung steht nicht die Technik sondern die Unternehmensorganisation im Fokus. Folgende zentrale Aspekte sollten dabei als besonders relevant betrachtet werden:

  • Stand der Organisation hinsichtlich weiterer relevanter, derzeitiger und zukünftiger Szenarien und Worst-Case-Annahmen
  • Prüfung der bislang bestehenden Notfallorganisation auf Erweiterungsbedarf in Rich-tung Krisen- und Katastrophenorganisation

Damit soll sichergestellt werden, dass die getroffenen organisatorischen Vorbereitungen für Notfälle, Krisen und Ereignisse mit katastrophalen Auswirkungen den aktuellen Erfordernissen aus Sicht der Beteiligten genügen und ob die vorgehaltenen Ressourcen eine erfolgreiche Bewältigung derartiger Ereignisse erwarten lassen.

2. Voraussetzung: Technik

Über die Organisation hinaus stellen die technischen und räumlichen Voraussetzungen für die Krisen- und Notfallbewältigung einen zentralen Faktor dar. Dabei bedarf es neben den notwendigen Leit- oder Einsatzzentralen für die operative Abarbeitung von Notfällen zur strategischen Bewältigung von Krisensituationen geeigneter Räumlichkeiten, in denen sich die Mitglieder des Unternehmenskrisenstabs zu ihren Sitzungen zusammenfinden können.

Damit diese Räume jedoch überhaupt von Krisenstabmitgliedern und anderen Funktionsträgern aufgesucht und genutzt werden können, müssen diese im Vorfeld zeitnah über die bestehende Lage informiert worden sein. Ein solches Informationssystem muss zahlreiche Voraussetzung erfüllen. Es muss in der Lage sein, Benachrichtigungen innerhalb kürzester Zeit parallel und somit entlastend für den Meldekopf des Unternehmens zu versenden. Es muss desweiteren die Möglichkeit beinhalten, verschiedene Gruppen von Angerufenen – je nach Vorfall – zu benachrichtigen. Und es muss sicherstellen, dass die Anrufe tatsächlich bei den Angerufenen und nicht z.B. auf einem Anrufbeantworter landen. Eine Rückmeldung, ob und wann die Angerufenen dann ihre Tätigkeit aufnehmen und z.B. im Krisenstab erscheinen ist nicht nur wünschenswert, sondern unabdingbar. Selbstverständlich muss das System selbst auch in der Krisensituation jederzeit funktionsfähig bleiben.

3. Voraussetzung: Handlungskompetenz

Ereignisse mit Krisen- oder Notfallcharakter kommen in der Regel überraschend, so dass es sich in der Praxis als wenig hilfreich erwiesen hat, wenn die Verantwortlichen sich erst im Ereignisfall mit dem Szenario auseinandersetzen. Auch in der Krisensituation müssen die Entscheidungsträger und Verantwortlichen wissen, was zu tun ist. Sie müssen ihre Aufgaben und Pflichten gerade in dieser Situation kennen, um den Betroffenen eine echte Hilfestellung sein zu können. Dies setzt voraus, dass sich die Verantwortlichen in der Organisation auch mit der Möglichkeit eines Notfalles oder einer Krise befassen. Zweifelsohne steht zu Beginn zunächst die unternehmensspezifische Definition einer Krise. Denn nur die Klarheit über mögliche Szenarien schafft die Basis für die Ermittlung und Realisierung krisenspezifischer Präventionsmaßnahmen. Art und Ausmaß der möglichen Gefahren bestimmen das Maß der erforderlichen Vorkehrungen, die zu treffen sind.

Eine erfolgreiche Krisenbewältigung bedarf einer effizienten und transparenten Krisen- und Notfallplanung. In einem Notfall, der sich für ein Unternehmen krisenhaft zuspitzen kann, müssen alle Unternehmensmitarbeiter über ihre Rolle im Ernstfall informiert und in dem er-wünschten Verhalten geschult sein. Dies gilt ganz besonders für die Mitglieder des Krisenstabs, denn bei Eintreten einer Krisensituation kommt deren Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten und somit ihrer Handlungskompetenz eine besondere Bedeutung zu. Sie alle müssen nicht nur ihre Aufgaben, Kompetenzen und ihre Verantwortung kennen, sondern auch in den betreffenden Abläufen entsprechend geübt sein. Zudem sollen sie in ihren Kommunikations- und Kooperationsbeziehungen gefestigt werden. Dies setzt das Erkennen der Notwendigkeit gemeinsamer Handlungsmaximen in einem solchen Team voraus. Diese entstehen jedoch nicht von selbst, sondern müssen anhand konkreter Aufgabenstellungen im Übungsverlauf gefördert werden.

Vor diesen Rahmenbedingungen geht es darum, realistische Bedrohungsszenarien wie beispielsweise Brände, Unwetter, gravierenden IT-Ausfall, Massenerkrankungen oder kriminelle Angriffe auf das Unternehmen wie z.B. Entführungen, Erpressungen, Bombendrohungen und dergleichen exemplarisch im Krisenmanagementteam durchzuspielen. Ausgewählte Szenarien bilden die Basis für die Erstellung eines detaillierten Drehbuchs für die durchzuführende Krisenübung. Diese sollte so angelegt sein, dass sie die Zusammenarbeit der Mitglieder des Krisenmanagementteams und deren Kooperationspartner trainiert und ermöglicht, Optimierungspotentiale hinsichtlich

  • Kommunikation
  • Kooperation
  • Organisation
  • Technik

zu identifizieren.

4. Voraussetzung: Öffentlichkeitsarbeit

Die Repräsentanten des Unternehmens müssen in der Lage sein, ihr Unternehmen in der Öffentlichkeit angemessen darzustellen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass gerade in problematischen Situationen der Auftritt vor Vertretern der Medien für das Unternehmen zum Risikofaktor wurde. Der Auftritt vor Medien und die Beantwortung unangenehmer und oft unfairer Fragen vor laufenden Mikrofonen und Kameras regionaler und möglicherweise auch überregionaler Medien wollen gelernt sein. Der Umgang mit den Vertretern der Medien sowie ihr Handling können durch ein entsprechendes Intensivtraining gelernt und zukünftige Situationen mit den Medien so sicher beherrscht werden.

Im Ereignisfall berichten die Medien sehr schnell von Ereignissen, die Krisencharakter aufweisen. Dementsprechend muss das Unternehmen reagieren und selbstverständlich eine Medienüberwachung installieren, die alle relevanten Berichte aufzeichnet und auswertet. Es sind jedoch nicht nur die klassischen Medien, die im Krisenfall zu berücksichtigen sind, zu-nehmend gewinnen die sogenannten neuen Medien an Bedeutung. Hier gilt es, im Vorfeld bereits präventiv tätig zu werden und für den Ernstfall im Internet mit eine „Darksite“, die bereits mit allen wichtigen Informationen vorbereitet wurde, reagieren zu können. Darüber hinaus muss auch den Social Media immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, denn hier werden Meinungen gebildet und von hier sind in Zukunft mehr Attacken im Sinne von „Shitstorm“ und „Flashmob“ zu erwarten. Auch auf diese Angriffe kann ein Unternehmen sich im Vorfeld gezielt vorbereiten, um dann im Ernstfall richtig reagieren zu können. Hier gilt es, nicht erst im Krisenfall zu reagieren, sondern im Vorfeld als Unternehmen präsent zu sein. Im Ereignisfall müssen dann die Reaktionen in diesen Medien durch ein geeignetes „Social-Media-Monitoring“ verfolgt werden, aus dem sich dann die notwendigen Schritte des Unternehmens ableiten lassen.

2. Besonderheit Pandemie

Die aktuelle Situation hat viele Unternehmen so überrascht, weil Vorläufer – z.B. die SARS – Pandemie 2002/2003 Deutschland weitgehend verschont hatte. Somit war eine Pandemie nicht im Fokus unternehmerischen Krisenmanagements.

Nun zeigt es sich, wie wichtig es jetzt und künftig ist, auch den Fall einer Pandemie, die den Ausfall von Mitarbeitern und Führungskräften ebenso umfassen kann, wie eine wochenlange Quarantäne, ins Krisenmanagement miteinzubeziehen und Anforderungen zu identifizieren, Szenarien vorzudenken und entsprechend in kleineren und sowohl in kleineren als auch umfassenderen Übungen durchzuspielen und somit zu trainieren.

Eine klare Setzung im Pandemieszenario ist der Ausfall von Mitarbeitern in Schlüsselpositionen. Diese müssen identifiziert werden, um die essentiellen Betriebsabläufe im Krisenfall aufrecht erhalten zu können. Ist dies geschehen, muss das Know-How zu breit vermittelt werden, dass eine Anzahl von ausgebildeten und geschulten Mitarbeitern den Ausfall von Schlüsselpersonal abfedern kann. Zu solchen Analysen und abgeleiteten Maßnahmen gehört auch die Erstellung alternativer Dienst- und Einsatzpläne, die krisenhafte Ereignisse berücksichtigen. Weitere Maßnahmen müssen die Vorplanung von Home-Office-Arbeitsplätzen sein, die mehr umfassen als nur die technische Ausstattung mit Laptop und Internetzugriff. Viel-mehr müssen Unternehmensnetzwerke optimiert und geschützt werden und Führungskräfte müssen sich mit der Veränderung ihrer Führungsaufgaben im digitalen Zeitalter auseinandersetzen.

Darüber hinaus wird man nicht umhin kommen, die globale Produktion und die zugehörigen Lieferketten auf den Prüfstand zu stellen um Engpässe und Ausfälle künftig vermeiden zu können. Nicht nur Pandemien sondern auch Politische Unruhen, Streiks, Naturkatastrophen können jederzeit Unternehmen, ganze Regionen oder Länder lahmlegen. Diese Risiken gilt es zu analysieren und in einem umfassenden Krisenmanagement zu berücksichtigen.

3. Fazit

Die Erwartungen seitens Politik und Bevölkerung fordern von Unternehmen sich gezielt mit dem Thema „Krisen- und Notfallvorsorge“ auseinanderzusetzen und sich für Ernstfälle entsprechend vorzubereiten. Eine solche Vorbereitung umfasst die Implementierung und Weiterentwicklung des unternehmenseigenen Krisen- und Notfallmanagementsystems auch für das Szenario „Pandemie“. Dieses System muss notwendigerweise die Voraussetzungen:

  • Organisation
  • Technik
  • Handlungskompetenz
  • Öffentlichkeitsarbeit

angemessen zu berücksichtigen. Damit dies geschehen kann müssen alle intern und extern verfügbaren Wissensstände abgerufen und in entsprechende Schritte umgesetzt werden. Da-zu gehören zwingend auch Pandemiepläne, die künftige Gefährdungen berücksichtigen und ins Krisenmanagement integrieren. Neben der Identifikation kritischer Lieferketten, beinhaltet dies die Optimierung von Pandemieplänen in die Aufbau- und Ablauforganisation und insbesondere die solcher Szenarien Berücksichtigung in entsprechenden Übungen, um für die Zukunft gerüstet zu sein.

Dabei können sich Unternehmen von externen Dienstleistern, die über eine entsprechende Erfahrung verfügen, unterstützen lassen. Deren Profil muss notwendigerweise neben umfassendem Wissen über Unternehmensorganisation sowie Krisen- und Notfallmanagement vor allem auch psychologische Kompetenz beinhalten. Besonders wertvoll ist es, wenn der Berater über eigene Erfahrung in der Bewältigung von Notfällen verfügt, denn derartige Situationen entziehen sich der Beurteilung „vom grünen Tisch“.

Autor: Peter Zimmermann
Als Wirtschaftspsychologe seit mehr als 25 Jahren in der Beratung von Unternehmen international tätig, mit einem Fokus auf Krisen- und Notfallmanagementsystemen.

Interesse an einem Gespräch?